Bis heute löst Heine bei nicht wenigen Aversionen und Unbehagen aus. "In Deutschland über Heine zu schreiben, ist immer noch eine heikle Sache", so Marcel Reich-Ranicki. Grund für diese ablehnende Haltung ist jedoch eine Verwechslung oder fälschliche Synonymisierung. So sieht man in Heines unbedingt freiem Blick, seiner Leidenschaft zur Wahrhaftigkeit, seinem Zynismus, dem vorgeblich nichts heilig ist, einen Mangel an Religiosität oder in seiner beißenden Kritik an den weltflüchtig-jenseitsorientierten Phantasiewelten der deutschen Romantik eine Absage an Religiosität schlechthin. Doch diese Deutung erweist sich als zu einseitig, denn im Mindesten war Heine ambivalent: zu Gott verhielt er sich mit den Worten Zuckmayers wie ein "gläubigster Zweifler" und zur Deutschen Romantik wie ein Fliehender und Suchender zugleich. "Nachdem ich dem Sinne für romantische Poesie in Deutschland die tödlichsten Schläge beigebracht, beschlich mich selbst wieder eine unendliche Sehnsucht nach der blauen Blume im Traumlande der Romantik." (Heinrich Heine: Geständnisse)