Martina Hefter hebt Zeit und Raum im Erzählen auf, in einer sinnlichen Sprache, die die Erdenschwere ins Schweben bringt. Sie erzählt mit spielerischer Kraft und Beweglichkeit, umkreist ihre Gegenstände, kehrt zum Ausgangspunkt zurück — eine Feier des Unterwegsseins.
Nach einer langen Bahnfahrt trifft die Familie mit zwei kleinen Kindern in Leipzig ein, zurück von ihrem Urlaub auf der Ostseeinsel Rügen. So ganz zu Hause angekommen sind jedoch zumindest die Eltern mit ihren unterschiedlichen Herkunftsorten nicht. Ob aus dem Osten oder aus dem Westen stammend: Leipzig bleibt für beide ein unwirklicher Ort. Abschiednehmen, Unterwegssein, Ankommen — Martina Hefter wirft ihr Erzählnetz weit aus. Szenen aus den Urlaubstagen werden erinnert, der Vormittag etwa, als die Kinder plötzlich in der Nähe der Steilhänge am Meer verschwunden sind und die Suche nach ihnen sich zu Stunden zu dehnen scheint; ebenso scheinen Bilder aus einer westdeutschen Kindheit auf: das lange zurückliegende Ausreißen aus dem kleinen Heimatort in den deutschen Alpen, die Flucht über die österreichische Grenze in Richtung Italien. Da ist auch der schwarze Mann, der während der Olympischen Spiele in München mit einem Maschinengewehr auf einem Balkon steht und etwas vorhat, von dem die Eltern sagen, Kinder könnten es nicht verstehen. Und immer ist die Abwesenheit jener Freundin spürbar, mit der die Protagonistin des Romans Kindheit und Jugend teilte und die kurz nach der Wiedervereinigung auch einige Wochen auf Rügen verbrachte — aber von diesem Aufenthalt nie zurückgekehrt zu sein scheint.