Wilhelm von Humboldt hat sich nicht im eigentlichen Sinne als Philosoph verstanden; seine Forschungen, wie die auf den Feldern der Bildung und Sprache, führten ihn indes immer wieder auf philosophisches Terrain: Oberflächlich betrachtet scheint sein Denken noch der Philosophie Kants verhaftet zu sein, bei genauerem Hinhören zeigt es sich jedoch als unbefangener Entwurf, der viele unzureichende Positionen seiner Zeit hinter sich lässt.
Es sind Gedanken über die Sprache und das Sprechen des Menschen, die zum einen die Merkwürdigkeit dieses Phänomens in den Blick bringen, zum anderen in ihm das Wesentliche des Menschseins überhaupt sehen. Humboldt entdeckt eine rätselhafte Zwischenstellung der Sprache zwischen Subjektivität und Objektivität, zwischen Unverfügbarkeit und Gemachtheit durch den Menschen. »Sie bedienen sich ihrer, ohne zu wissen, wie sie dieselbe gebildet haben.« Das Sprechen verleiht dem Menschen die Möglichkeit seines Denkens auch »in abgeschlossener Einsamkeit«: Der klingende Laut, der von uns ausgesprochene Gedanke, dringt in unser Gehör zurück, das Sprechen eines Subjekts wird für es selber zum Objekt, ohne die Sphäre der Subjektivität zu verlassen.
Humboldts Abhandlung weist bis weit ins zwanzigste Jahrhundert voraus: Hier finden sich eine Art Dialektik des Verstehens und Nicht-Verstehens sowie fundamentale Einsichten zur Weiterentwicklung der Hermeneutik; nicht zuletzt sind auch Grundzüge des Heideggerschen Sprachgeschehens in diesem Text präfiguriert.