Die Schwulenbewegung der 1970er Jahren kämpfte für die Befreiung der Sexualität. Mit dem Auftreten von HIV und Aids geriet sie jedoch in die Defensive. Der “Lebensstil der Homosexuellen” wurde durch Medien, eine moralinsaure Gesundheitspolitik und warnende Stimmen aus der Bewegung selbst für die Verbreitung der tödlichen “Schwulenseuche” verantwortlich gemacht. Martin Dannecker hat im Laufe der Debatten die dramatischen Einschnitte in die sexuelle Freiheit immer wieder analysiert, dabei an seinem sexualitätsbejahenden und emanzipatorischen Standpunkt festgehalten und gegen den Trend moralisch argumentierender und restriktiver Präventionsstrategien Stellung bezogen.
Heute kann eine HIV-Infektion in Schach gehalten werden, hat sich Aids zu einer behandelbaren Krankheit entwickelt, ist das Infektionsrisiko durch die Kombitherapien und PrEP deutlich gesunken. Und doch haben HIV und Aids die Sexualität, nicht nur die homosexuelle, spürbar verändert. In der Rückschau legen Danneckers fortwährende, oft provokative Eingriffe den längst vergessenen Anteil offen, den HIV und Aids an den gegenwärtigen sexuellen Verhältnisse haben. Und sie zeigen, wie es gelingen kann, sich dem Druck der “Normalisierung” zu widersetzen und die Freiräume der Subjekte zu verteidigen.