Ein Buch über die Macht und ein Buch über die Gewalt der Sprache. Ein Roman über deutsche Mentalitätsgeschichte und einen vornehmlich deutschen genialen Künstlertypus. Und ein Buch über das Vordringen des Virtuellen.
Suttung, studierter Mathematiker und Computerwissenschaftler, ist Sohn eines berühmten deutschen Kunsthändlers und Enkel eines noch berühmteren deutschen spätimpressionistischen Malers. Mit zwanzig verließ er seine Heimat, um in die USA zu gehen, wo er Karriere als Softwarespezialist in einem bedeutenden Computerunternehmen macht. Suttung «dachte niemals daran, nach Deutschland zurückzukehren».
Während eines Kurzurlaubs an der Küste Neuenglands trifft Suttung auf eine geheimnisvolle Frau, Sieglinde, eine deutsche Architektin, die ihn einer zweiten, attraktiven Frau, Mechthild, ebenfalls eine Deutsche, vorstellt. Sie machen ihm ein Angebot: Suttung soll im Auftrag des Immobilienunternehmers Arbogast für den größten Architekten Deutschlands, Hant, eine neuartige Software entwickeln, die die menschliche Konstruktions— und Planungsleistung reproduziert und somit künftig überflüssig macht, um auf dieser theoretischen Grundlage dann Systeme und Roboter zu konstruieren, die einmal in der Lage sein werden, jegliche menschliche Arbeit zu ersetzen.
Suttung nimmt das Angebot an und begibt sich auf die Reise nach Deutschland: Er gerät plötzlich in eine andersartige, eine dunkle Welt. Mechthild und Sieglinde machen ihn mit Arbogast bekannt, und endlich trifft er auf Hant, den berühmten Architekten, der ihm in ebenso faszinierenden wie unheimlichen, ausufernden Monologen seine Idee von der Welt und seiner Stellung in ihr mitteilt. Suttung ist begeistert von Hant, dem Monomanen und Perfektionisten, den ein schier unwiderstehliches Charisma umgibt. Warum jedoch verfolgt dieser ruhelose Künstler seine Ziele mit derart grausamer Konsequenz? Und wohin führt sein Genie, seine selbstgerechte und unbeugsame Art, anderen seine Ideen aufzuzwingen, seine maßlos falsche Vorstellung von Größe? Aus Suttungs anfänglicher grenzenloser Bewunderung wächst Zweifel, dann Widerwillen. Er begreift die Ideologie Hants als etwas Monströses und Bedrohliches, das zum Untergang der ihm bekannten Kultur führen würde, wenn er sich nicht selbst zum Handeln entschließt.
Sturm führt den Leser ein in die Welt der Architektur und des Geschäfts mit ihr, zeigt den Künstler als Machthaber. Imponierend die Gestalt des größten Architekten aller Zeiten, Hant, der als Destillat eines bestimmten erfolgreichen, vornehmlich deutschen Künstlertypus erscheint. Hants ehrgeiziges und schließlich verzweifeltes und blindes Wüten auf der Erde, das Abreißen und Zerstören des Vorhandenen ist grausam und faszinierend zugleich. Hant repräsentiert das Funktionieren von Macht und den Mißbrauch der — deutschen — Sprache sowie einen bestimmten dunkel-deutschen Trieb. Sturm ist ein Roman über Deutschland und über dessen Vergangenheit: eine deutsche Mentalitätsgeschichte.