Für den österreichischen Alpinismus bedeutete die Jahreswende 2011/2012 sowohl einen Hoch— als auch einen Tiefpunkt. Hochpunkt war Ende August 2011, als die Öberösterreicherin Gerlinde Kaltenbrunner als erste Frau, alle 14 Achttausender ohne Sauerstoffgerät bestieg. Tiefpunkt war Anfang März 2012, als der Steirer Gerfried Göschl bei dem Versuch, als erster Mensch einen Achttausender im Winter über eine neue Route zu besteigen und zu überschreiten, starb.
Gerfried Göschl war eine Ausnahmeerscheinung im Höhenbergsteigen — und zwar nicht allein aufgrund seiner Leistungen, sondern vor allem wegen seiner Persönlichkeit und Kreativität. Von Beginn seiner Laufbahn als Bergsteiger trug er den persönlichen Nutzen und Wert des Bergsteigens nach außen und gab ihn weiter: Kindern vermittelte der ausgebildete Pädagoge über das Bergsteigen Selbstvertrauen und Selbstwertgefühl. Als Expeditionsorganisator schaffte er es, in dem häufig von Egozentrikern und Einzelkämpfern dominierten Feld des Spitzenalpinismus schlagkräftige Teams zu formieren, in denen jeder entsprechend seiner Stärken optimal wirken konnte. Damit lieferte er ein Beispiel für wahrhaftige Führungsarbeit, dessen Vorbildwirkung weit über das Bergsteigen hinaus reicht.
In den zehn Jahren seiner Laufbahn als Höhenbergsteiger bestieg Gerfried Göschl sieben Achttausender ohne Sauerstoffgerät — darunter als fünfter Österreicher und erster Steirer den Mount Everest (8848 m), den höchsten Berg der Welt. Unter seiner Expeditionsleitung konnten sich fast 40 Bergsteiger den Traum von einem der welthöchsten Gipfel erfüllen. Höhepunkt war 2009 die Erstbegehung des landschaftlich großartigen Nordwestsporns am gefürchteten Nanga Parbat (8125 m). Gerfried Göschls zu früher Tod beim Versuch der ersten Winterüberschreitung des Hidden Peak (8080 m) im Karakorum bedeutete den Verlust eines Alpinisten mit zahllosen Ideen — und dem Potential, das österreichische Höhenbergsteigen in eine neue Zukunft zu führen.