In einem Buch, einem Kreis von Erzählungen, die Boccaccio und E.T.A Hoffmann zusammenführt, ist Dappertuto der Geistreiche und Spötter – frei nach E.T.A Hoffmann –, der die Fäden in der Hand hält. Erzählungen und Geschichten, Anekdoten um und über die Liebe entlockt er seinen Freunden und zeigt Erinnerungen auf, die ein Gesicht haben müssen, damit sie haften bleiben. Schelmisch und morbide – entsprechend dem Festjahr 1919, Frivoles und Ernstes löst einander ab. Was sagt Susanne ihrem Liebhaber Gerhart, als sie über die Lauheit und Herzensenge ihres Mannes klagt und er anbietet, sie nach vollzogener Flucht zu heiraten: „Dich heiraten", rief Susanne, „bist du verrückt? Du bist mir viel zu schade!", und lachend und weinend küsste sie ihn. Zwei Städte werden mit Farbtupfer umschrieben – ja umgarnt – Berlin und Paris. Keine der Liebesgeschichten, die erzählt werden, finden einen glücklichen Schluss, sondern alle enden im zarten Elend oder im Katzenjammer.
Autorenporträt
Franz Hessel (1880–1941) war ein deutscher Schriftsteller, Übersetzer und Lektor. Hessel zog nach dem Tod seines wohlhabenden Vaters, der Bankier gewesen war, mit Mutter und Bruder nach Berlin. Sein Bruder war der spätere Historiker Alfred Hessel. Hessel kam 1899 zum Jurastudium nach München. Er wechselte später zur Orientalistik, machte aber nie einen Universitätsabschluss. Das ererbte Vermögen ermöglichte es ihm, ohne Brotsorgen seinen literarischen Ambitionen nachzugehen. In München erhielt er Anschluss an den Kreis um Stefan George und lernte Fanny Gräfin zu Reventlow kennen. Mit ihr und ihrem Gefährten, Baron Bohdan von Suchocki, lebte er von 1903 bis 1906 in Schwabing. Diese Zeit ist Grundlage der Romane „Kramladen des Glücks" von Hessel und „Herrn Dames Aufzeichnungen oder Begebenheiten aus einem seltsamen Stadtteil" von Fanny zu Reventlow. Gemeinsam mit ihr verfasste Hessel mehrere Ausgaben des „Schwabinger Beobachters", der vor allem den Kreis um Stefan George parodierte. Von 1906 bis kurz vor dem Ersten Weltkrieg lebte Hessel dann in Paris, wo er in den Künstlerkreisen von Montparnasse verkehrte, vor allem im berühmten Café du Dôme, in dem sich die ausländischen Künstler trafen. Aus dieser Zeit stammt seine Bekanntschaft mit dem französischen Kunsthändler und Schriftsteller Henri-Pierre Roché und der jungen Malerin Helen Grund, die er 1913 heiratete. Der Ehe entstammte der spätere Diplomat und Widerstandskämpfer Stéphane Hessel. Nach dem Krieg ließ sich die Familie in der Villa Heimat am Ortsrand von Schäftlarn südlich von München nieder. Im Jahr 1920, als seine Ehe bereits zerrüttet war, veröffentlichte Hessel den Roman „Pariser Romanze", in dem er seine Zeit in Paris und das Kennenlernen seiner Frau literarisch verarbeitete. In den zwanziger Jahren wohnte Hessel in Berlin und arbeitete als Lektor und Übersetzer im Rowohlt Verlag. Zusammen mit Lektor Paul Mayer und Verlagsinhaber Ernst Rowohlt präsidierte Hessel dessen Autorenabenden, an denen die bedeutendsten Schriftsteller der Zeit teilnahmen. Bekannt wurde er vor allem als Lyriker, Romancier und Prosaiker. Hessel blieb trotz Berufsverbot bis 1938 im nationalsozialistischen Deutschland weiterhin als Lektor im Rowohlt Verlag tätig. Wie Ernst von Salomon überliefert, blieb er in Deutschland, weil er sich dem Schicksal der deutschen Juden nicht entziehen wollte. Das Publizieren musste er in dieser Zeit zwar einstellen, jedoch übersetzte er die Werke Jules Romains’. Schließlich folgte er dem Rat seiner Frau und seiner Freunde und emigrierte widerstrebend kurz vor dem Novemberpogrom 1938 nach Paris. Den Vormarsch der deutschen Besatzer fürchtend, übersiedelten Hessel und seine Familie in das südfranzösische Exilzentrum Sanary-sur-Mer. Bald darauf wurde er auf Veranlassung des französischen Innenministers gemeinsam mit seinem älteren Sohn Ulrich und vielen anderen Emigranten im Lager Les Milles bei Aix-en-Provence interniert. Der 60-jährige Hessel erlitt während des zweimonatigen Aufenthalts im Lager einen Schlaganfall und starb 1941 kurz nach seiner Entlassung an den Folgen der entbehrungsreichen Lagerhaft in Sanary-sur-Mer.