„Ansichten eines Aktmodells“ rankt sich um neun Geschichten, die von Psychothriller („Euthanatus“) über mystische Erlebnisse ind er esotherischen Szene der Eifel — den „Eifelindianern“ — („Die Schwitzhütte“) bis hin zu verspielten Märchen („Der Wassertropfen“), amüsante Kurzgeschichten („Der Egoismus des Herrn Amselfink“) und Phantastik („Dialog mit einer Ulme“) reichen. Erzählperspektiven, Genres, Blickwinkel vermischen sich und verweben Dichtung und Wahrheit zu einem Geflecht, das als Roman die Selbstbefreiung des Menschen, zur Menschwerdung thematisiert. Was nach experimentaler, schwierig zu lesender Kopfgeburt klingt, ist jedoch ein Stück unterhaltsamer, in flüssiger, lebendiger, fesselnder Sprache verfasste Literatur, die das Erzählen feiert, die Macht der Geschichten und das Leben.
Um die Hauptfigur des Romans — das Aktmodell — realistisch beschreiben zu können, stand Norman Liebold zwei Jahre regelmäßig in der Kunstakademie Hennef den Zeichnern nackt Modell und schwitzte bei den Eifelindianern. Tatsächlich (auch wenn nicht mehr kenntlich) spielt ein Teil der Handlung im Aktraum der RSAK. Aber auch andere Orte der Region — das Steigenberger Grandhotel auf dem Petersberg, das Tattoostudio „Tintenrausch“ in Köln-Gremberg, die Region um Mechernich in der Eifel, Maria Laach — sind wiedererkennbar und verorten und verankern die Geschichten im Wirklichen. Liebold spielt in diesem Buch wie in keinem anderen mit dem Vermischen und Verweben realer Begebnisse und Fiktionalität. Im Gegensatz zu den einzelnen Geschichten, die sich in Liebolds Sprach— und Erzählwelten bewegen, kann die eigentliche Handlung des Romans im Ganzen nicht wirklich beschrieben werden — sie kann nur im Leser oder Zuhörer geschehen. Sie lädt ihn zu einer Verwandlung ein.