Zahlreich sind in den vergangenen Jahrhunderten die Zeugnisse über die Entbehrungen, die manchmal sogar lebensgefährdenden Anstrengungen der Autoren bei der Herstellung ihrer Kunstwerke. Der gläserne Dichter ist ein Buch, das anschaulich macht: Kunst geht aufs Ganze.
Der Dichter, dessen Existenzweise Erasmus Schöfer hier erkundet, wird einer Analyse unterworfen, die wie eine Computertomografie den Autor seziert — bis in die feinsten und geheimsten Antriebe und Bedingungen seines Lebens. Es ist eine unbarmherzig radikale Expedition in das Dasein dieses namenlosen Künstlers. Das Motiv der Forschungsreise ist, die psychischen, die materiellen und sozialen Widerstände aufzudecken, die dem Gelingen eines Kunstwerks in aller Regel entgegenstehen, deren Spuren aber meist aus ihnen getilgt sind, wenn es denn gelungen ist.
Künstlerbiografien, selbst oder fremd verfasste, haben es bisher kaum gewagt, die Schaffensbedingungen künstlerischer Arbeit aus solch schonungsloser Nähe auszuleuchten. Zu Schöfers bitter-ironischem Porträt gehört die Schilderung sowohl des alltäglich-banalen Arbeitskampfes des Dichters am Schreibtisch mit seinen eigenen Schwächen, mit seinem Text und seiner Sprache, als auch seines Kampfes mit den Menschen und Kräften, die in der gesuchten Öffentlichkeit, dem Literaturmarkt, der Gesellschaft, eine Anerkennung und Wirkung seines Werks behindern.
Dabei geht es Schöfer nicht um eine Zeichnung der erfolgverwöhnten Großschriftsteller — obwohl auch deren Existenz (gut verheimlicht) ähnliche Merkmale aufweisen dürfte -, sondern eher um Dichter, deren Werk erst spät oder nach ihrem Tod gerühmt, in seinem Wert und seiner Wahrheit erkannt wird.
Der hier geschilderte Dichter ist kein versponnener Romantiker. Er ist ein Realist, scharfsichtig und selten barmherzig gegenüber sich selbst und der Welt, in die er geboren worden ist.