Karin Bucha ist eine der erfolgreichsten Volksschriftstellerinnen und hat sich mit ihren ergreifenden Schicksalsromanen in die Herzen von Millionen LeserInnen geschrieben. Dabei stand für diese großartige Schriftstellerin die Sehnsucht nach einer heilen Welt, nach Fürsorge, Kinderglück und Mutterliebe stets im Mittelpunkt.
Unablässig wanderte Olaf Bergner in der weitläufigen Halle hin und her. Bis unter das Dach waren seine Schritte zu hören, denn eine geradezu unheimliche Stille herrschte in dem märchenhaften Haus, das Percy Hudson seiner einzigen Tochter und dem geliebten Schwiegersohn hatte erbauen lassen. Manchmal unterbrach Olaf ruckartig seine Wanderung, lauschte mit vorgeneigtem Oberkörper und vernahm kurze aber durchdringende Schreie, die aus dem ersten Stockwerk zu ihm drangen. Dann sah es aus, als wolle er vorwärts stürzen, die breite gewundene Treppe empor, in die Zimmer seiner geliebten Evelyn, die ihre schwerste Stunde durchkämpfte. Doch er bezwang sich. Nur die Rechte legte er an seinen Hals und atmete tief und erregt, als wolle ihm die Angst, die unbeschreibliche, wahnsinnige Angst um das geliebte, kostbare Leben die Luft abschnüren. Der Hausarzt, Doktor Jefferson, hatte ihn in seiner trockenen, energischen Art aus dem Zimmer gewiesen und zur Geduld ermahnt. Der Arzt hatte gut reden, ihn tatenlos dieser Nervenprobe auszusetzen. Was wußte er, was Evelyn, die geliebte Frau, ihm bedeutete? Treueste Lebenskameradin! Vorbildliche Repräsentantin seines Hauses. Zärtlichste Geliebte! Mutter, Elternhaus und Heimat zugleich. Alles hatte er in ihr gefunden in seiner fast fünfzehnjährigen Ehe mit ihr, die jetzt die Krönung durch die Geburt des ersten Kindes erfahren sollte. “Wenn das noch lange so weiter geht, Olaf, werde ich wahnsinnig”, hörte er Percy Hudsons Stimme aus der Tiefe eines der zu gemütlichen Plauderecken gruppierten Sessel kommen. Wie aus schwerem Traum erwachend, strich Bergner sich über die brennenden Augen. Die Anwesenheit des Schwiegervaters hatte er völlig vergessen. “Schrecklich! Schrecklich, Papa!”