Karin Bucha ist eine der erfolgreichsten Volksschriftstellerinnen und hat sich mit ihren ergreifenden Schicksalsromanen in die Herzen von Millionen LeserInnen geschrieben. Dabei stand für diese großartige Schriftstellerin die Sehnsucht nach einer heilen Welt, nach Fürsorge, Kinderglück und Mutterliebe stets im Mittelpunkt.
»Meine Tochter ist verreist?« fragte Iris Mayring erstaunt auf die Mitteilung des Mädchens Gerda. »Herr Doktor holte Fräulein Ingrid ab und übergab mir dieser Brief.« Gerda händigte Frau Iris das schmale Kuvert aus, das diese überlegend in den Fingern drehte. Dann war sie allein. Liebste Muschi-Mutti! Ich muß sofort dringend nach Berlin fahren. Ich habe Ingrid mitgenommen. Entschuldige, daß wir Dich vorher nicht benachrichtigt haben. Wir haben reihum telefoniert, Du warst jedoch bei keinem unserer Bekannten zu erreichen. Wir hoffen, morgen wieder hier zu sein. Iris Mayring ließ den Brief sinken. Ihr schönes Gesicht sah müde und bleich aus. Nein, Michael hätte sie nicht finden können. War sie doch stundenlang umhergeirrt, ohne Ziel, bis sie sich matt, an allen Gliedern wie zerschlagen, wieder in ihrem Heim eingefunden hatte. Iris Mayrings Hände fuhren nach dem Kopf. Sie fand sich in dem Wirrwarr ihrer Gedanken nicht mehr zurecht. Begonnen hatte dieser Zwiespalt mit einer kurzen Zeitungsnotiz. Eine kleine Zeitungsnotiz war fähig gewesen, in ihren Seelenfrieden einzubrechen wie ein beutegieriger Wolf in eine Herde Schafe. Ihre Augen suchten scheu die Zeitung.