Im Wintersemester 1994/95 hielt Bodo Kirchhoff im Rahmen der Frankfurter Poetikdozentur an der Johann-Wolfgang-Goethe-Universität vier Vorlesungen mit den Titeln “Das Kind und die Buchstaben”, «Orthopädische Wahrheit”, “Schreiben und Narzissmus” und “Dem Schmerz eine Welt geben”, erstmals erschienen bei Suhrkamp 1995. Der seit langem vergriffene Band wurde für diese Neuauflage durchgesehen und um den Essay «Auf dem Weg zu einer Sprache der Sexualität” erweitert.
Kirchhoff bietet eine lebhafte, sehr persönliche und elegante Mischung aus biobibliographischen Berichten und Selbstanalysen, Reflexionen über zentrale Leseerlebnisse und für ihn bedeutsame Schriftsteller. Ein ausgiebiger Blick in die Werkstatt in Form von Auszügen aus Kirchhoffs Romanprojekt und Gedanken zur Lage der Gegenwartsliteratur sowie eine feurige Philippika über den deutschen Kulturbetrieb runden die Vorlesungen ab. Kirchhoff legt die Triebfeder literarischen Schreibens bloß und bringt in einem eigens für diesen Band konzipierten neuen Essay die Geschichte des eigenen Missbrauchs zur Sprache.
Klar umrissene Begrifflichkeiten für eine poetologische Systematisierung lehnt Kirchhoff ab, konzentriert sich auf die Körperlichkeit der Dinge, schreibt über den Männlichkeitswahn eines Hemingway, die Idiosynkrasien eines Kafka und über die Körperlichkeit der Werke moderner, zeitgenössischer Autoren wie Josef Winkler, Marguerite Duras und Hervé Guibert und kommt zu den die Literatur bestimmenden Fragen: «Weshalb bin gerade ich, hier und jetzt, in diesem Körper eingeschlossen? Wo komme ich her, und wo sollte ich hin? Was soll dieses Leben?» … und: «Gibt es ein Recht auf Glück?»