Fichtes Schrift markiert einen frühen Höhepunkt in der Geschichte der philosophischen Anthropologie. Die von Kant formulierte Grundfrage nach dem Wesen des Menschen wird hier von Fichte auf Basis seiner, bereits in der Wissenschaftslehre gewonnenen Erkenntnisse, weiterentwickelt und von ihm in eine eigenständige und auch für Nicht-Philosophen verständliche Richtung gelenkt. Konsequent vollzieht er aus seiner Erkenntnistheorie eine Wendung ins Lebenspraktische. Fichtes Philosophie ist geprägt vom Appell die Grenzen des Denkens und Wahrnehmens zu sprengen.
«Die Französische Revolution, Fichtes Wissenschaftslehre und Goethes Meister sind die größten Tendenzen des Zeitalters.» August Wilhelm Schlegel
Dies kleine Bändchen zählt zu den persönlichsten, verstiegendsten und auf jeden Fall zu den literarisch schönsten Werken des deutschen Idealismus. Der Titel verweist auf eine Doppeldeutigkeit: Mit dem Begriff der Bestimmung fragt Fichte einerseits nach dem Wesen des Menschen, nach dem was ihn einzigartig macht und von anderen Dingen der Welt unterscheidet. Andererseits kann sich der Begriff auf den Zweck und die Berufung, also letztlich auf die Verantwortung des Menschseins beziehen. In einer Zeit, in der flache Selbstfindungsliteratur Konjunktur hat, tut man vielleicht gut daran Fichte zu folgen und der allgemeinsten aller Fragen auf den Grund zu gehen: was es bedeutet ein Mensch zu sein. Was ist von einem Wesen zu erwarten, das sich seines Bewusstseins bewusst ist und seiner Freiheit ohne Einschränkungen gegenüber sieht?