Leni Behrendt nimmt längst den Rang eines Klassikers der Gegenwart ein. Mit großem Einfühlungsvermögen charakterisiert sie Land und Leute. Über allem steht die Liebe. Leni Behrendt entwickelt Frauenschicksale, wie sie eindrucksvoller nicht gestaltet werden können.
»Oh, diese dummen Strümpfe!« Baronesse Loma Greiffling war dem Weinen nahe, sah verzweifelt auf den hellen Seidenstrumpf nieder, an dessen Ferse sich eine Masche gelöst hatte, die nun mit fabelhafter Geschwindigkeit nach oben lief, einen breiten Streifen zurücklassend. »Was mache ich nun?« stieß sie hervor und weinte nun wirklich. »Wäre ich endlich mal aus dieser Unglückslage, in der ein zerrissener Seidenstrumpf eine Katastrophe bedeutet!« Der harte, böse Zug, der sich in ihre Mundwinkel grub, war ihrer Schönheit gewiß nicht günstig, und hätte die eitle Lona das gewußt, hätte sie sich bestimmt nicht so gehen lassen. Ihre Schwester, die ebenso wie sie beim Ankleiden war, sah ungerührt zu ihr hinüber; ihr waren diese Bitterkeitsausbrüche nichts Neues. »Wenn du einen ganzen Juwelierladen an deinen Fingern hast, dann wundere dich nicht, wenn du dir die dünnen Strümpfe zerreißt«, meinte sie achselzuckend. »Du weißt doch: Habe keinen Ring am Finger, denn die zarten, feinen Dinger –« »Hör auf!« unterbrach die Schwester sie böse. »Gib mir lieber deine Strümpfe!« »Damit du die auch noch zerreißt? Ach nein –« »Wo nur das Fräulein bleibt!« murrte Lona. »Das braucht Mutti selbstverständlich wieder einmal ganz allein für sich, und ich kann sehen, wie ich fertig werde.« »Na, Ehrensache, Lona. Wenn man über fünfzig Jährchen zählt wie unsere alte Dame, dann braucht man schon mehr Sorgfalt –«