Leni Behrendt nimmt längst den Rang eines Klassikers der Gegenwart ein. Mit großem Einfühlungsvermögen charakterisiert sie Land und Leute. Über allem steht die Liebe. Leni Behrendt entwickelt Frauenschicksale, wie sie eindrucksvoller nicht gestaltet werden können.
Ein frostklarer Wintertag. Der Schnee knirschte unter den Füßen der Menschen, die mit eiligen Schritten durch die Anlagen gingen. Trotz der Sonne, die vom Himmel lachte, war es an diesem Januartag empfindlich kalt. Daher beeilte sich jeder, in die warme Stube zu kommen. Nur das junge Paar nicht, das soeben auftauchte. Gemächlich wanderte es durch den knirschenden Schnee dahin. Beide trugen Reitdreß mit pelzgefütterter Jacke, darunter flauschige Pullover. Sie hielten die Zügel der Pferde in der Hand, die ungeduldig hinter ihnen tänzelten. Schnaubend stießen die Tiere den Atem durch die Nüstern, der wie weißer Dampf in die kalte Luft stieg. Das Mädchen, groß, schlank, mit einem stolzen, fast hochmütigen Gesicht, hörte mit gelangweilter Miene auf die eindringlichen Worte des Mannes, der in seiner nach neuester Mode gewählten Kleidung stutzerhaft wirkte. »Also darf ich hoffen?« fragte er mit selbstgefälligem Lächeln. »Nein«, war die unerwartete Antwort. Gerald Burden, dessen Vater das größte Bankhaus am Ort besaß, war verblüfft. Gewiß, die junge Dame war wohlhabend, aber an seinem Reichtum gemessen war das, was sie besaß, nur ein Bettel. Also konnte er sich eine solche Behandlung unmöglich bieten lassen! Aber wiederum konnte er auf das Mädchen auch nicht verzichten, zumal er im Freundeskreis damit geprahlt hatte, recht bald seine Verlobung mit der Stolzen, die schon verschiedene Körbe ausgeteilt hatte, zu feiern. Sogar eine Wette hatte er abgeschlossen, die er schon allein um der Schadenfreude willen nicht verlieren durfte. So fand er denn seine Selbstherrlichkeit rasch wieder und meinte mit nachsichtigem Lächeln: »Sie werden sich wohl noch besinnen, gnädiges Fräulein.