Als sich vor Jahren einmal linke Demonstranten vor einer als konservativ gebrandmarkten Bibliothek einfanden, ertönte durch das Megaphon der folgende Kampfspruch: «Das sind Faschos! Die haben da drin Bücher von Gauland! Von Hitler! Von … von Helmut Kohl!» Markanter kann sich die Geschichtsignoranz vieler heutiger Linker wohl kaum desavouieren. Doch stoßen inzwischen die politischen Eliten in ähnliche Hörner, etwa die der CDU, wenn sie allenthalben undifferenziert Nazi-Alarm schlagen und ferner unterstreichen, daß sie mit den traditionellen Prägungen der Christdemokratie rein gar nichts mehr verbindet. Umso augenöffnender ist dieses klug abwägende Buch. Wie in einer Zeitreise führt es den Leser zurück in eine Epoche der BRD-Geschichte, die politisch von einer ebenso farblosen wie wirkmächtigen Gestalt dominiert wurde. Helmut Kohl, die Verkörperung des Parteisoldaten, realisierte einerseits die Wiedervereinigung — seine größte Leistung — und verschuldete andererseits die Aufgabe der D-Mark und befähigte die Kanzlerschaft Merkels. Wer war dieser geheimnisvolle und doch uninteressante Mann, an den sich die eigene Partei heute kaum mehr erinnern will? Alexander Gauland schrieb sein vielschichtiges Portrait vor einem Vierteljahrhundert, als er selbst der CDU noch aktiv verbunden und Kohl “sein” Kanzler war. Es steckt darin eine Zuversicht und Tatkraft, die der Autor bekanntermaßen später in einer alternativen, der CDU abgewandten Partei zu echter Entfaltung bringen sollte. Das Buch beschreibt so gesehen den Lebensweg Kohls und dokumentiert, was wir erst heute erkennen, einen Ausschnitt aus Gaulands politischer Individuation. Es entsteht ein schillerndes, im Spiegel der Zeit gebrochenes Doppelportrait.