Luigi Pirandello (1867 — 1936) ist vor allem durch seine Dramen bekannt geworden, mit denen er dem Theater zu einem bedeutenden, bis heute nachwirkenden Innovationsschub verhalf — eine Leistung, für die er 1934 mit dem Literatur-Nobelpreis ausgezeichnet wurde. Von Beginn seiner Laufbahn als Autor bis an sein Lebensende schrieb Pirandello aber auch insgesamt 246 Novellen, die er in seiner auf 365 Erzählungen angelegten Novellensammlung „Novellen für ein Jahr“ (Novelle per un anno) zusammenfasste. Viele von ihnen spielen in seiner Heimat Sizilien, zehn davon, sämtlich gekennzeichnet durch sprühende Dialoge und dramatische Wendungen, hat Heinz Riedt für diese 1973 im Fischer Taschenbuch Verlag erstmals erschienene Auswahl übersetzt. Ihr zentrales Thema ist die menschliche Ohnmacht gegenüber dem Schicksal — immer wieder werden Pirandellos Figuren, ganz gleich ob gut oder böse, zu Opfern unterschiedlichster unkalkulierbarer Kräfte, seien es Zufall, Missverständnisse, Böswilligkeit, Wahnsinn, Naturgewalten oder einfach nur althergebrachte Konventionen.Die rund hundert Jahre alten Szenerien — mal ist Sizilien Handlungsort, mal das italienische Festland — muten den heutigen Leser sicher manchmal fremd an. Sehr schnell beschleicht ihn aber die Erkenntnis, dass Pirandellos Figuren mit ihrem Streben nach Ruhm und Anerkennung, in ihrer Eitelkeit und Bösartigkeit, ihrem Gaunertum und ihrer Geldgier sich auch wunderbar ins 21. Jahrhundert einfinden würden.