Im deutschsprachigen Raum sind «Rotkäppchen» und “Der Wolf und die sieben «Geißlein” wohl die bekanntesten Märchen, in denen Wölfe vorkommen. Dort ist der Wolf böse und bringt den Tod und muss am Ende überwältigt oder überlistet werden. Dieses Bild hat sich Generationen von Kindern eingeprägt.
Aber nicht in allen Überlieferungen wird der Wolf so einseitig dargestellt. Der Wolf ist eins der interessantesten Tiere des Volksmärchens und erzählenden Literatur. Er ist keineswegs nur einfach «der böse Wolf». Seine Wesenszüge sind individuell verschieden, und seine körperlichen Eigenschaften und Fähigkeiten entsprechen denen des realen Wolfes. Bei den Naturvölkern war er als ebenbürtiger Jäger geachtet, die Fabel benutzt ihn, um negative Eigenschaften des Menschen zu spiegeln und zu tadeln, im Zaubermärchen steht er mit seinen natürlichen und übernatürlichen Kräften dem Menschen oft helfend zur Seite und macht damit das glückliche Ende erst möglich.
Die Märchen, Mythen und Fabeln der vorliegenden Sammlung zeigen ein sehr facettenreiches Bild.
Ingrid Jacobsen ist Märchenerzählerin und Seminarleiterin. Sie lebte lange Jahre in Lateinamerika und sammelte Märchen der mündlichen Tradition. 2001–2007 war sie Vizepräsidentin der Europäischen Märchengesellschaft, verantwortlich insbesondere für die Erzählförderung. Sie ist Mitherausgeberin verschiedener Kongressbände der EMG und mehrerer Märchen-Anthologien.