Clemens Bergers Erzählungen handeln von Leidenschaften. Von der Liebe zu einer französischen Philosophin in Rom etwa, die bald aber nur noch per Brief, E-Mail oder Traum erreichbar ist. Die Titelgeschichte erzählt von Alfred, der in einer Laienaufführung der Passionsspiele den Judas spielen soll. Ohne es zu wollen, wird er von der Figur, in die er schlüpft, völlig absorbiert. Die Fragen, die er sich stellt, um seine Rolle möglichst glaubwürdig auszufüllen, stürzen ihn in immer heftigere Verwirrung. Ist nicht der Verräter im Grunde der verlässlichste Verbündete des Verratenen, weil ohne ihn die ganze Geschichte nicht aufgehen würde? Aber ist er dann überhaupt noch ein Verräter? Alle Zuordnungen entgleiten ihm auf immer umfassendere Weise. In der Erzählung “Schwere Geburt” geht es um eine Künstlerin, die sich aufs Land zurückgezogen hat, weil ihr die zeitgenössische Kunst auf einmal inhaltsleer vorkam und sie im Stil der Alten Meister in Altarbildern Relevantes für die Gegenwart malen will. Aber das bewahrt sie nicht vor Missverständnissen und gar Skandalen. Und auf ganz und gar ungeplante Weise und ohne ihr Zutun führt der Weg zurück ins Museum für Moderne Kunst. Die Liebesgeschichten Bergers sind brüchig, leidenschaftlich, philosophisch und modern.