Ob vom „Baedeker“ oder im „Lonely Planet“ — wer Literatur zu Sardinien sucht, wird noch heute, fast 100 Jahre nach seinem Erscheinen, auf „Das Meer und Sardinien“ von D.H. Lawrence verwiesen. Zu recht. Denn dem englischen Literaten, der die Insel im Januar 1921 mit seiner Frau Frieda von Richthofen bereiste, gelingt es, in poetischer Sprache das Flair Sardiniens einzufangen — stimmungsvolle Natureindrücke wechseln sich ab mit humorvollen Betrachtungen von Land und Leuten. Der Leser erlebt eine Zeitreise in das Sardinien nach dem Ersten Weltkrieg — und einen Ausflug in die Natur Sardiniens, wie sie vielerorts noch heute zu betrachten ist.Robert Lucas, österreichischer Journalist und Schriftsteller, hat in seiner Biografie von Lawrence’ Frau Frieda von Richthofen — im Buch „die Bienenkönigin“ genannt — in wenigen Sätzen die wohl treffendste Rezension zu „Das Meer und Sardinien“ verfasst: „Die Frucht eines zehn Tage dauernden Abstechers nach Sardinien ist ein Meisterwerk. Sea and Sardinia ist, um den modernen Jargon zu gebrauchen, eine ‚Reisereportage‘ — aber eine Reportage geschrieben von einem Dichter in einer vor Vitalität leuchtenden, verzaubernden und beglückenden Sprache. Eine Handvoll Worte beschwört das wie von Cézanne gemalte Bild der Hafenstadt Cagliari herauf oder das Erlebnis einer Bahnfahrt ins Landesinnere, mit dem Abteil voller Kumpel und Landarbeiter, oder einen frostig klaren Morgen nach einer Nacht in einer unvorstellbar schmutzigen Herberge, oder die bunten Schatten von Männern in engen Kniehosen, die in einer dunklen Schenke zu den Tönen eines Akkordeons tanzen, bis sie, vom Rotwein erhitzt, in wildem Handgemenge übereinander herfallen.“ (zitiert nach: Robert Lucas: Frieda von Richthofen — Ihr Leben mit D.H. Lawrence, dem Dichter der „Lady Chatterley“, München 1972, S. 220)