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Lukas Bärfuss

Hundert Tage

  • Luis Alvhas quoted5 months ago
    erzählte ihnen von der Heimat, von den Bergen und den Seen, die auf billigen Drucken an der Wand hingen und an die sie keine Erinnerung hatten. Die Muttersprache der Kinder war tatsächlich nichts anderes als die Sprache ihrer Mutter. Ihr Wortschatz, alleine von ihren Eltern übernommen, klang seltsam fremd, zu erwachsen, zu ernst, ohne Unsinnsworte, die man auf der Straße von anderen Kindern lernt.
  • Luis Alvhas quoted6 months ago
    Er war sich nicht zu blöd, uns aufzufordern, an geeigneter Stelle in Kigali ein gutes Wort für ihn einzulegen, und falls das nicht möglich sei, so bitte er wenigstens darum, ihm die völlige Unschuld seiner Station an Goldmanns Tod zu bescheinigen. Paul antwortete nicht, stand wie paralysiert da; er konnte einfach nicht glauben, dass dieses Land es wagte, einen unserer Mitarbeiter umzubringen, nicht nach allem, was Goldmann und die ganze Direktion für die Leute hier getan hatten.
  • Luis Alvhas quoted6 months ago
    nahmen wir ein Zimmer im Ibis, ein Hotel an der Hauptstraße, das schon unter den Belgiern als bestes Haus am Platz gegolten hatte. Es gab dort ein Restaurant, das vor allem von Weißen und hohen Beamten besucht wurde.
  • Luis Alvhas quoted6 months ago
    Butare, die alte Hauptstadt der Belgier
  • Luis Alvhas quoted6 months ago
    Der kleine Paul nahm ihr das nicht übel. Die Twa sind hervorragende Töpfer und gerissene Jäger, meinte er, obwohl diese Frau vermutlich in ihrem Leben nie einen Bogen oder eine Töpferscheibe angefasst hatte, aber er wollte damit andeuten, dass sich gewisse ursprüngliche Fertigkeiten nicht mit zivilisierten Tätigkeiten wie Krankenpflege vertrugen.
  • Luis Alvhas quoted6 months ago
    Was ich eben gesehen habe, seien Frontschweine, denn in diesem Land herrsche ein fortwährender Kampf um jeden einzelnen Baum. Natürlich sind das teure Frontschweine, meinte er, aber wir haben keine Wahl. Jemand muss unsere Botschaft hinaus in die Hügel tragen. Sollen wir die Bauern auch den letzten Wald abholzen und sie auf ihren blanken, erodierten Böden sitzen lassen? Nein, das geht nicht, schließlich wollen wir in den Himmel kommen, und wie soll das gehen, wenn nicht durch gute Taten?
  • Luis Alvhas quoted6 months ago
    ich verstand nicht, gegen wen oder was er die Schule verteidigen musste, bis ich später erfuhr, in welcher Krise das Institut steckte. Es bildete jährlich zwei Dutzend Waldarbeiter aus, diplomierte Forstleute, die keine Arbeit fanden, einfach deswegen, weil es in diesem Land überhaupt keine Wälder mehr gab und man auch keine wünschte, weil die Bauern lieber Pferdebananen für ihr selbstgebrautes Bier anbauten.
  • Luis Alvhas quoted6 months ago
    Unterkunft – das war das Wort, das Marianne, die Koordinatorin, benutzte, nicht etwa Wohnung oder gar Haus, und ich rechnete mit einem Loch am Stadtrand, bestenfalls einem Studio in einem der heruntergekommenen Häuser am Hauptmark
  • Luis Alvhas quoted6 months ago
    Ich besaß nun einen Wagen, und diese ganzen Privilegien beschämten mich ein wenig, ich wusste nicht, womit ich sie verdient hatte. Aber wie ich später erfuhr, war Haus Amsar keine persönliche Auszeichnung. Für eine internationale Organisation wäre es unmöglich gewesen, in Kigali eine bescheidene Unterkunft zu finden, niemand hätte gewagt, an gewissen Kreisen vorbei einem Europäer ein Haus zu verkaufen.
  • Luis Alvhas quoted6 months ago
    Es dauerte kein Vierteljahr, bis sich die Dinge in ihr Gegenteil verkehrten und hinter der Maske der Normalität das Ungeheuer sichtbar wurde. Aber noch war in der Direktion wenig von der kommenden Katastrophe zu spüren.
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