Mit ganz einfachen Worten wie in einem Kindermärchen beginnt die Erzählung von Hariolf und Hildegard, zwei von Gott erschaffenen Seelen, die als Tochter eines Grafen und Sohn eines Tagelöhners paradiesisch miteinander aufwachsen. Alles begleiten die vom gesellschaftlichen Status her so unterschiedlichen Elternpaare gemeinsam, jedes auf seine Art: die ersten Worte, die ersten Schritte der beiden Kinder, die musikalische Begabung von Hildegard, das künstlerische Talent von Hariolf. Doch ihre Lebenswege trennen sich. Hariolfs Weg in die große Stadt zu einem berühmten Meister wird zur Bewährungsprobe für seine reine Seele. Der Neid der Malkollegen auf sein besonderes Verhältnis zum Meister entlädt sich eines Tages, als sein größter Feind Wolf ein Bild von ihm mit einer Fratze übermalt. In Hariolf zerbricht etwas, seine Bilder werden stumpf und aussagelos. Hildegard hat inzwischen geheiratet. Doch die standesgemäße Partie mit einem Sohn eines Freundes ihres Vaters entpuppt sich bald als Unglück. Als sie die Treulosigkeit und niedere Gemeinheit ihres Mannes erkennt, verliert sie den Glauben an die Menschheit. Wilhelm Wiesebach erzählt den Lebensweg der beiden als Allegorie auf den Glauben an Gott: in den Kindertagen ein selbstverständliches Glück, kann er schnell in der harten Realität der Welt verlorengehen. Erst die Liebe und das Vergeben öffnen das Gefängnis einer verbitterten Seele.Dem Jesuiten und Pädagogen Wilhelm Wiesenbach gelingt es, mit dem Stilmittel des einfachen Märchens die Essenz des christlichen Glaubens, nämlich Vertrauen, Prüfung, Vergebung und Liebe, in berührende Worte und Bilder zu fassen.
Wilhelm Wiesebach (1878–1929) war ein deutscher Schriftsteller, katholischer Theologe, Jesuit und Pädagoge. Neben theologisch bzw. kirchenhistorisch orientierten Werken («Die Austreibung der Jesuiten aus Portugal», 1910; “Die Frohbotschaft der Tat” 1925), verfasste Wiesebach eine Reihe von belletristischen Werken mit christlicher Thematik (u. a. «Der Einzige und andere Erzählungen”, 1915; “Er und ich”, 1916; “Am heiligen See”, 1919).